Liebe Besucherinnen und Besucher,
am Donnerstag hat ein Postlaster (siehe Presseerklärung unten) allein rund 1.000 Großbriefsendungen bei uns abgeholt. Und der Versand der neuen GEDICHT-Ausgabe geht unvermindert weiter.
Derzeit erlebe ich, wie in jedem Jahr, dasselbe Phänomen. Nach jeder GEDICHT-Auslieferung melden sich zuerst Autorinnen und Autoren, die unsere Zeitschrift abonniert haben. Wenn Sie feststellen, dass Ihre Texte nicht in der aktuellen GEDICHT-Folge vertreten sind, schwingen sie sofort die ‘Kündigungskeule’ und traktieren den Herausgeber meist ‘nebenbei’ mit begleitenden Tiefschlägen.
Alle Jahre wieder bekomme ich die abenteuerlichsten Verschwörungstheorien präsentiert, warum dieser Text gedruckt wurde, jener aber nicht. Wenn wir einen Kritikteil im GEDICHT haben, melden sich zuerst Autoren, deren Bücher nicht rezensiert worden sind: „Meine Gedichte sind wesentlich besser als die von Frau Scheuermann oder Herrn Grünbein, warum rezensieren Sie dann Frau Scheuermann und Herrn Grünbein anstelle von mir?“.
Als wir vor einigen Tagen unter www.poesie21.de bekannt gegeben haben, dass Horst Samson als Preis für das schönste Delfingedicht (sein prämiertes Gedicht steht online) eine Reise zur Walbeobachtung für zwei Personen nach Teneriffa bekommt, erreichten mich prompt bitterböse E-Mails von Mitbewerbern, die Samsons poetische Arbeit in beleidigender Weise abqualifizierten, und abstruse Erklärungen für seine Nominierung hatten: Wir seien ein „Familienbetrieb“, bei dem Samson Stammkunde wäre und fortlaufend Bücher kaufe, deshalb könne er jetzt eine so schöne Reise antreten. Denn Kriterien für gute und schlechte Gedichte gäbe es ja ohnehin nicht …
Obwohl ich im Stress der Auslieferung eigentlich keine Zeit habe, auf solche Bösartigkeiten zu antworten, möchte ich, wenigstens an dieser Stelle, diesen Leuten einen Satz unserer Autorin Ulrike Draesner unter die Nase reiben, der so einfach wie wahr ist: „Wer schreiben will, muss lesen“. Und als Lektüre dringend Rolf-Berhard Essigs Buch „Schreiberlust & Dichterfrust. Kleine Gewohnheiten und große Geheimnisse der Schriftsteller“ empfehlen.
Eigentlich ein Jugendbuch, aber eines der besten Bücher, die ich bislang gelesen habe. Weil es anhand großartiger Beispiele aus der Weltliteratur und Literaturhistorie in überzeugender Weise belegt, dass bislang noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Nicht einmal in Deutschland, einem Land, in dem so viele Dichter und Denker sein wollen, kraft göttlicher oder naturmagischer Eingebung. Denn Dichten macht reich und schön und berühmt, so glauben viele. „Und dichten kann doch jeder, oder nicht?!“
Wir arbeiten monatelang an jeder neuen GEDICHT-Ausgabe. Nach der Auslieferung sind wir psychisch und physisch jedes Jahr wieder total erschöpft. Und es tut immer wieder weh, nach der Geburt eines neuen GEDICHT-Kindes als erstes die geschilderten Tiefschläge böser Onkels und Tanten einstecken zu müssen.
Dann aber melden sich aber nach und nach jene Leserinnen und Leser zu Wort, die wirklich lesen. Sie geben uns wieder die Kraft, ans neue GEDICHT-Werk zu gehen.
Naturgemäß brauchen sie Zeit für ihre Stellungnahmen, denn sie lesen DAS GEDICHT nicht unter dem Eitelkeits-Aspekt „Bin ich drin oder bin ich nicht drin?“.
Solche Leserinnen und Leser wünsche ich nicht nur uns, sondern allen ambitionierten literarischen Verlagen. Dass es sie in hinreichender Zahl gibt, belegt die Tatsache, dass meine Anthologien inzwischen einen Verbreitungsgrad erreicht haben, der (nach der Addition) weit in den sechsstelligen Bereich hineinreicht. Und DAS GEDICHT ist nach 15 abenteuerlichen Lyrik-Jahren auch auf dem Weg in diese Dimension. Poesie ist eben, fernab aller Verschwörungstheorien und Eitelkeiten, als geistiges Grundnahrungsmittel doch gefragt …
meint heute augenzwinkernd Ihr
Lyrik-Punchingball
Anton G. Leitner
DAS GEDICHT, Herausgeber