Liebe Besucherinnen und Besucher,
mein offener Brief an Günter Grass hat über den deutschen Sprachraum hinaus, bis hinein in polnische Tagezeitungen, Wellen geschlagen.
Ich habe viele zustimmende und einige sehr böse Briefe und eMails erhalten, auch von Schriftstellerkollegen aus dem Umfeld von Günter Grass. Ich sei (mit 45 Jahren) „zu jung“, um mich in dieser Angelegenheit zu äußern und Grass sei außerdem nie ein „Moralist“ gewesen, das sähe ich „völlig falsch“.
Gleichzeitig erreichen mich eMails von alten und neuen Nazis: Jemand, der keinen „Schießprügel“ in der Hand gehabt hätte, habe kein Recht, dem ehemaligen „Kameraden Grass“ fordernd zu begegnen, außerdem sei ich „zu jung“, um mitzureden.
Erschreckend, wie sich die Argumentationen gleichen, wenn Menschen nicht mehr weiter wissen!
Ein Zeichen in die von mir vorgeschlagene Richtung von Günter Grass gibt es, soweit ich es mitbekommen habe, bislang jedenfalls nicht. Inzwischen sollen rund 250.000 Exemplare seines Enthüllungs-Bandes verkauft worden sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die klingelnden Kassen Günter Grass dieses Mal wirklich glücklich machen. Auch wenn er es noch einmal auf Platz 1 der Bestsellerlisten geschafft hat: um welchen Preis!
Vier Wochen nach meinem Vorschlag scheint es so, dass mein früheres Grass-Bild nicht wiederhergestellt werden kann. Damit bin ich, wie ich täglich erfahre, nicht allein. Aber das vermag meine Enttäuschung, meine Traurigkeit nicht zu vermindern. Die moralische Instanz, das menschliche Vorbild Günter Grass gibt es – für mich jedenfalls – nicht mehr.
Das Denkmal hat sich selbst vom Sockel gestürzt.
In diesem Sinne verbleibe ich für heute
mit herzlichen Grüßen aus Weßling
Ihr Anton G. Leitner
DAS GEDICHT-Herausgeber