»Laut und leise«: Leitner und Hornauer präsentieren DAS GEDICHT 31 und lesen auch weitere eigene Verse zum Thema am 17. März im Brechthaus Augsburg

Vom sanften Flüstern bis zum aufbegehrenden Schreien: Die Verse in DAS GEDICHT #31 decken das Ausgaben-Thema »Laut und leise« weiträumig ab. Entsprechend werden sie bei der Präsentation der neuesten Nummer der buchstarken lyrischen Jahresschrift am Sonntag, 17. März 2024, ab 11 Uhr auch mal das Brechthaus Augsburg (Auf dem Rain 7) sanft beschallen und mal mit Nachdruck.

Vorgestellt wird die neue DAS GEDICHT-Ausgabe von Stammherausgeber Anton G. Leitner sowie Jan-Eike Hornauer, langjährig als Redakteur in Leitners Verlagsteam tätig (Schwerpunkt: »DAS GEDICHT blog«). Im Duo lesen sie ausgewählte Poeme aus DAS GEDICHT 31 – und geben so einen profunden Eindruck davon, wie sich das anhört, wenn arrivierte und aufstrebende Poetinnen und Poeten aus 13 Ländern am Lautstärkeregler drehen. Unter den 177 Dichterinnen und Dichtern, die mit ihren Versen in DAS GEDICHT »Laut und leise«, zusammengestellt von Leitner gemeinsam mit seinem diesjährigen Co-Herausgeber Frank Klötgen, vertreten sind: Friedrich Ani, Sujata Bhatt, Alexandru Bulucz, Nora Gomringer, Meike Harms, Dirk Hülstrunk, Uwe Kolbe, Helmut Krausser, Paul Maar, Nils Mohl, Dagmar Nick, Heike Nieder, Matthias Politycki, Ilma Rakusa, Arne Rautenberg, Gundula Schiffer, Sabine Schiffner, Xóchil A. Schütz und Hans Thill.

Als Zugabe bringen Anton G. Leitner und Jan-Eike Hornauer überdies auch noch so einige eigene Gedichte rund ums Thema »Laut und leise« aus ihrem jeweiligen Œuvre. Das Spektrum reicht hier von süffig humoresk bis zu einfühlsam zart, wie man es von den beiden auch kennt. Das Dorfleben und die Tierwelt werden aufs Korn genommen, die aktuellen Wirrungen der Zeitläufte und das grundsätzlich Menschliche gestreift, und die Liebe darf natürlich auch nicht zu kurz kommen.

Anton G. Leitner lebt als vielfach ausgezeichneter Lyriker, Verleger und Herausgeber in der Nähe von München. Seit mehr als dreißig Jahren ediert er die buchstarke Jahresschrift DAS GEDICHT, die »zu den wirkmächtigsten und einflussreichsten Publikationen im deutschen Sprachraum« gehört (Jury Verlagsprämie Freistaat Bayern 2022). Er veröffentlichte bislang 15 eigene Gedichtbände, »die mit zum Besten gehören, was die zeitgenössische Lyrik zu bieten hat« (WDR, Matthias Ehlers).

Jan-Eike Hornauer lebt als Textzüchter (freier Autor, Herausgeber, Lektor und Texter) in Münchnen. Er hat on- und offline rund ein Dutzend Anthologien herausgegeben, dazu hat er zwei Sololyrikbände veröffentlicht. Seine Gedichte werden regelmäßig in Literaturzeitschriften und Anthologien sowie in Publikumsmedien (etwa WDR 3 und 5 sowie taz und Main-Echo) gebracht. Über seinen zweiten Gedichtband »Das Objekt ist beschädigt« urteilte etwa das Main-Echo: »lässt keinen Leser kalt … kreativ und unterhaltsam … fast schon Pflichtlektüre«, und die Literaturzeitschrift etcetera meinte: »Ein humorvoller, sprachvollendeter Band – ein wunderbares Werk!«

Gastgeber und Moderator ist der Augsburger Lyriker und Lyrikvermittler Siegfried Völlger.


Die Eckdaten zur Veranstaltung im Überblick:

Präsentation DAS GEDICHT #31 in Augsburg
So., 17.03.24, ab 11 Uhr
Mit Herausgeber Anton G. Leitner und Jan-Eike Hornauer
Gastgeber und Moderator: Siegfried Völlger
Ort: Brechthaus Augsburg (Auf dem Rain 7)
Eintritt: 8 Euro (erm. 6 Euro)
Anmeldung: 0821-4540815



Klappentext DAS GEDICHT 31:

Was ist laut, was ist leise? Die buchstarke Jahresschrift DAS GEDICHT dreht in ihrem 31. Jahrgang am poetischen Lautstärkeregler – von Samtpfotenstille bis zum ohrenbetäubenden Lärm. In einer Zeit, in der uns Krieg und Terror ihr dissonantes Getöse aufzwingen, ist eine kontemplative, ruhige Betrachtung der Dinge nötiger denn je, um der Welt jenseits der Destruktivität noch gewahr zu werden. Wir müssen uns jeden Tag wieder neu entscheiden zwischen Heavy Metal und Mondscheinsonate, zwischen Liebesgeflüster und lautstarkem Streit, zwischen Verkehrsinfarkt und Waldspaziergang. Im bewegten Leben geben wir Laut oder verharren im Schweigen. Welche Wahl auch immer wir treffen, diese Anthologie macht es deutlich: Das Meer der Geräusche ist mehr als bloße Kulisse!


Weitere Infos / Pressematerial:


Weihnachts- und Neujahrsgruß mit »Hoffnung« von Friedrich Schiller

Liebe Freundinnen und Freunde der Poesie,

heuer habe ich für Sie / für Euch als Weihnachts- und Silvestergruß kein klassisches Weihnachtsgedicht ausgesucht, aber trotzdem einen absoluten Lyrik-Klassiker, der auch sehr gut zu diesen besonderen Tagen im Jahr passt und unsere aktuelle Großwetterlage trifft: Friedrich Schillers berühmtes Hoffnungs-Gedicht.

Ich glaube, ich muss niemanden erklären, wie bitternötig für uns alle in diesen Zeiten, die selbst einen lebensbejahenden Optimisten wie mich in die Verzweiflung treiben können, die Hoffnung ist. Ein Glück: Sie stirbt bekanntlich zuletzt. Und das gilt auch, wenn, wie gerade, an vielen Orten in der Welt Menschen mit Gewalt um ihr Leben und um ihr meist mühsam erworbenes Hab und Gut gebracht oder gebombt werden, wenn sie zittern müssen, während ich relativ beschützt diese Zeilen verfasse.

Feuerholz im Schnee (Foto: Jan-Eike Hornauer)

Draußen wütet ein Sturm (wir haben gerade den Abend des 21. Dezember, als ich diese Zeilen hier schreibe), und sein Wüten scheint mir symptomatisch für dieses zu Ende gehende Jahr 2023, das zu den schwersten Jahren zählt, die ich als Klein-Verleger und Lyrikvermittler in den gut vier Jahrzehnten meiner Tätigkeit erlebt habe. Während weltweit immer mehr Menschen mit dem Finger am Abzug an die Macht gelangen, Menschen, die Gewalt, Massenmorde und Krieg als selbstverständliche Mittel zum Durchsetzen ihrer Expansions-Politik betrachten, gewinne ich hierzulande zunehmend den Eindruck, dass unsere Politikerinnen und Politiker verstärkt all jene bedienen, die am lautesten schreien. Bisweilen scheint es mir so, als ob die politischen Repräsentanten hierzulande ihr aktives Handeln immer stärker nach den beiden Prinzipien »Was scheren mich meine Versprechen von gestern?« und »Heute so, morgen so« gestalten. Ja, mitunter handeln sie exakt andersherum, als sie es vorher angekündigt oder versprochen haben.

Alle reden von der Notwendigkeit der Entbürokratisierung, aber ich habe in meinen 32 Jahren der Selbstständigkeit nie mehr bürokratische Schikanen erleben müssen als im Jahr 2023. Die EU und ihr Musterschüler Deutschland bürokratisieren sich langsam, aber sicher in die schiere Unbeweglichkeit.

Wer zum Beispiel zwei fast 30 Jahre alte Gasheizungen in Betrieb hat wie wir, und wer seit zwei Jahren auf Wärmepumpen, Photovoltaik und Elektromobilität umrüsten will, wie ich, der weiß oder ahnt, was ich allein in dieser Hinsicht erlebe und durchmachen muss. Eigentlich kann man diesen ganzen Wahnsinn, der ständig von der Politik im Bereich der Förderungen verändert wird, nur noch mit Humor verfolgen oder eben mit der lebenslänglichen Hoffnung, um die Friedrich Schiller in seinem gleichnamigen Gedicht kreist.

Und dass man die Hoffnung nie aufgeben soll, das habe ich einmal mehr im Jahr 2023 erfahren dürfen. Ich hatte mir hier begründete Hoffnung auf einen Literaturpreis gemacht, der, was seine Strahlkraft und Dotierung betrifft, eher zu den kleineren Preisen gehört. Diese eine Hoffnung wurde zwar enttäuscht, aber dafür wurde ich an anderer Stelle wesentlich reicher belohnt: nämlich mit der Verleihung des vielfach höher dotierten und bedeutenderen Deutschen Verlagspreises 2023 – die mich so überraschte wie ganz besonders freute, hatte mein Verlag ihn doch auch schon im Vorjahr 2022 erhalten.

Insofern, durch etwa dieses Beispiel ermutigt, werde ich aus gutem Grund selbst weiterhin ein Hoffender bleiben. Und ich werde auch künftig darauf hoffen, dass die Despoten und Kriegstreiber dieser Welt doch einmal dort landen, wo sie hingehören, nämlich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, und dass wir uns eines Tages auch hierzulande wieder auf das Wort eines Politikers verlassen können, etwa wenn er verspricht, dass kein Kleinbetrieb seine Corona-Soforthilfen zurückbezahlen muss und sie dann einige Jahre später kaltschnäuzig zurückfordern lässt, wenn seine Kassen plötzlich riesige Löcher aufweisen …

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen / Euch und mir, dass 2024 manche Hoffnungen von uns auch wirklich eingelöst werden und dass unsere geschundenen und terrorisierten Mitmenschen in der Ukraine, in Israel und auch jene Teile der Bevölkerung in Palästina, die mit Terror nichts am Hut haben, wieder in Ruhe und Frieden leben dürfen. Ein vermutlich utopischer Wunsch, aber wenigstens hoffen dürfen wir.

Und für Sie und Euch und uns alle hoffe ich jedenfalls das Beste. Habt friedvolle Feiertage, kommt gut ins neue Jahr 2024 und bleibt mir und unserer Zeitschrift DAS GEDICHT, unserem Blog www.dasgedichtblog.de und der Poesie insgesamt verbunden.

Toi, toi, toi,
alles erdenklich Gute
Ihr Anton G. Leitner

in der Hoffnung auf ein Wiedersehen
und Wiederhören im Jahr 2024!


***

Friedrich Schiller

Hoffnung

Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen,
Nach einem glücklichen, goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.

Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling locket ihr Zauberschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben;
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er – die Hoffnung auf.

Es ist kein leerer, schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren.
Im Herzen kündet es laut sich an:
Zu was Besserm sind wir geboren;
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.

Doppelpräsentation im Münchner Lyrik Kabinett am 29. November: Premiere von DAS GEDICHT #31 plus Vorstellung von Leitners »Vater, unser See wartet auf dich«

Ein wahrlich prall gefüllter und abwechslungsreicher Poesieabend erwartet die Besucher am Mittwoch, 29. November 2023: Eine Doppelpräsentation gibt’s ab 19 Uhr im Münchner Lyrik Kabinett. Die quasi noch druckwarme neue Ausgabe der buchstarken Jahresschrift DAS GEDICHT wird vorgestellt (Band 31, Gedichte zum Thema »Laut & leise«), dazu präsentiert der DAS GEDICHT-Herausgeber Anton G. Leitner mit »Vater, unser See wartet auf dich« auch seinen jüngsten Soloband.

20 Poetinnen und Poeten lesen ihre Verse aus DAS GEDICHT #31, darunter: Friedrich Ani, Kathrin Niemela und Ludwig Steinherr. Dazu gibt’s auch eine kleine Gesprächsrunde mit den beiden Machern der »Laut & leise«-Nummer, Stammherausgeber Anton G. Leitner und seinem diesjährigen Co-Herausgeber Frank Klötgen (u. a. Poetry-Slam-Urgestein und Ensemblemitglied der legendären Schwabinger »Lach und Schieß«) sowie Uwe-Michael Gutzschhahn, der, wie stets seit 2016, einen thematisch passenden Teil mit Lyrik für Kids kuratiert und beigesteuert hat.

Mit »Vater, unser See wartet auf dich« hat Anton G. Leitner die Trauer um den Tod seines Vaters Anton Josef Leitner, verarbeitet. Hier zeichnet er mit Erinnerungsstücken bewegend und humorvoll ein Portrait des 2021 verstorbenen Vaters, spürt ihrer zeitlebens engen und insbesondere in des Juniors Jugendjahren durchaus reibungsreichen Beziehung nach und zeichnet anekdotenreich ein so zärtliches wie humorvolles Bild des geliebten Seniors – in dem sich zugleich auch ein Stück bundesrepublikanische Zeitgeschichte widerspiegelt.

Angestoßen wird zudem darauf, dass der AGL Verlag, nachdem er 2022 schon mit der Verlagsprämie des Freistaats Bayern und dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet worden war, auch heuer den Deutschen Verlagspreis erhalten hat. (jeh)


Die Informationen zur Festlesung im Überblick:

Doppelpräsentation:
DAS GEDICHT #31: Laut & leise   BUCHPREMIERE
Leitner: Vater, unser See wartet auf dich

Mittwoch, 29. November 2023
19:00 Uhr bis ca. 21:30 Uhr (inkl. Getränkepause)
Einlass ab 18.30 Uhr
Lyrik Kabinett | Amalienstr. 83 a | 80799 München

Eintritt: € 10,- (ermäßigt € 8,-)
Abendkasse, freie Platzwahl (Reservierung erbeten)
Vorverkauf | Reservierung über Anton G. Leitner | DAS GEDICHT
service@dasgedicht.de • Tel. +49 (8153) 952522
www.dasgedicht.de | www.dasgedichtblog.de


Verse voll magischer Kraft und starker Energie

Zur Buchpremiere am Mittwoch, den 29. November 2023 lesen im Münchner Lyrik Kabinett 20 Poetinnen und Poeten ihre Lyrik aus DAS GEDICHT #31 und nutzen dabei das gesamte Klangspektrum zwischen sanftem Flüstern und aufbegehrendem Schreien.

Die Herausgeber Frank Klötgen und Anton G. Leitner sowie Kinderlyrik-Redakteur Uwe-Michael Gutzschhahn gewähren Einblicke in ihre anthologische Werkstatt. Mit ihnen lesen Noha Abdelrassoul (Saarbrücken und Alexandria, EGY), Friedrich Ani (München), Ulrich Johannes Beil (Weilheim), Josef Brustmann (Icking), Jürgen Bulla (München), Georg »Grög« Eggers (München), Frieda Freytag (Dublin, IRL), Heike Haas (München), Jan-Eike Hornauer (München), Julia Kleemayr (Berlin), Anna Münkel (Zankenhausen), Heike Nieder (München), Kathrin Niemela (Passau und Nürnberg), Sabine Schiffner (Köln), Ludwig Steinherr (München), Gabriele Trinckler (München), David Westphal (München).


Erinnerungsstücke und nachgerufene Verse

Anton G. Leitner präsentiert seinen im Frühjahr erschienenen Band Vater, unser See wartet auf dich – »eine lyrische Vater-Sohn-Bilanz in Vers und Miniatur, ein elegisches Trauer- und Verlustjournal einerseits, entwaffnend privat, andererseits auch ein rührend komisches, leserherzerwärmendes Feuerwerk aus filmschnittartig montierten Erinnerungsstücken« (Michael Augustin in Lesart). Mit einer kurzen Einführung von Ulrich Johannes Beil.

Veranstalter: Anton G. Leitner Verlag | DAS GEDICHT

Mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferats der Landeshauptstadt München und der Stiftung Lyrik Kabinett


Download-Material zur Veranstaltung (bitte gerne frei verwenden):





Rückblick: Frühschoppenlesung in der Alten Seilerei Schleswig mit Schlüter und Leitner

Text und Fotos: Jan-Eike Hornauer (zuerst erschienen auf: DAS GEDICHT blog, 20.05.2023)

Lasen als Dichterduo beim lyrischen Frühschoppen in der Alten Seilerei Schleswig: Manfred Schlüter und Anton G. Leitner.

Schleswig. Zur Frühschoppen-Dichterlesung in ihre Alte Seilerei mit Manfred Schlüter und Anton G. Leitner lud Annette Oellerking (als Dichterkollegin u. a. wiederholt in DAS GEDICHT vertreten, hier in ihrer Rolle als Veranstalterin aktiv), am Sonntag, 14. Mai 2023.

Schlüter reizte mit seinen teils aberwitzigen Wortspielen im gereimten Kinder- und Erwachsenengedicht und mit seinem teils hintergründigen, teil ganz unmittelbarem Witz zu Lachen und Erkenntnis, als er aus einem Querschnitt seiner Buchpublikationen vortrug. Dazu präsentierte er auch etliche bislang unveröffentlichte Poeme, die gerade nicht von Reim und Rhythmus und Humor lebten, sondern prosanah und sehr nachdenklich daherkamen – sie beschäftigten sich mit dem direkten Erleben des Lokalmatadors in seiner Streusiedlung Hillgroven (Dithmarschen), wiesen aber selbtredend über diesen Mikrokosmos hinaus und aufs Allgemeinmenschliche.

Leitner las aus »Vater, unser See wartet auf dich«, seinem kürzlich erschienenen Erinnerungsbuch, das zum zweijährigen Todestag seines Vater Anton Josef Leitner herausgekommen ist. Gut ein Jahr lang hat hier der Junior mit literarischen Mitteln den Verlust des Seniors, mit dem er sich bis zum Schluss ein Haus teilte, verarbeitet. Voll Zärtlichkeit, Trauer und Humor, aber auch mit kritischem Blick geschrieben sind seine »Erinnerungsstücke und nachgerufenen Verse« (so definiert der Untertitel des Buches das Genre). In Anekdoten und Reflexionen beleuchtete Leitner in der Alten Seilerei Schleswig das einzigartige Wesen seines Vaters, machte die innige, aber reibungsintensive Verbindung zwischen ihnen beiden deutlich und verwies zugleich auf die Zeitgeschichte, das »Damals war es eben so«, das wesentlich daran beteiligt ist, den individuellen Verhältnissen auch viel Allgemeingültigkeit zu verleihen, das Besondere auch als Stellvertreter wirken zu lassen, etwa wenn der Senior die Musik der Jugend radikal ablehnt.

Die Einführung in die Veranstaltung übernahm neben Annette Oellerking auch ihr Mann Christian Oellerking, dessen Vorfahren die Alte Seilerei, die heute ein Kultur- und Veranstaltungsraum ist, einst in ihrer ursprünglichen Funktion, nämlich als Schleswiger Tauwerkfabrik, gegründet hatten.


Berührende Erinnerungen: Anton G. Leitner hat eine Hommage an den Vater verfasst – anekdotenreich, tiefgründig, erschütternd und saukomisch

Anton G. Leitner am Weßlinger See mit seinem neuen Buch »Vater, unser See wartet auf dich«, in dem er seinem vor zwei Jahren verstorbenen Vater Anton Josef Leitner ein literarisches Denkmal setzt. – Foto: Maren Martell

eine Buchvorstellung von Jan-Eike Hornauer (zuerst erschienen auf: DAS GEDICHT blog, 03.05.2023, morgens)

Der Vater fehlt. Er wird weiter geliebt. Es gab immer eine große Nähe zu ihm – und deshalb freilich auch so manche Reibung. Die durchaus auch mal zu Funken führen konnte und – wenn es so etwas gibt – kleineren Flächenbränden. Gerade in der Jugend des Autors. Die wiederum ist schon eine gute Weile her, der Sohn, Anton G. Leitner, hat die 60 inzwischen knapp überschritten. Doch – wer kennt das nicht? – gerade die frühen Ereignisse prägen, gerade die frühen Erinnurungen bleiben immer präsent.

Heute vor zwei Jahren ist dann der Vater im Alter von 82 Jahren gestorben, Anton Josef Leitner, begeisterter Altphilologe und Humanist sowie Gründungsdirektor des Carl-Spitzweg-Gymnasiums (CSG) in Germering, dem er dann auch fast ein Vierteljahrhundert vorstand. Nachvollziehbar: ein ungeheurer Verlust.

Umso mehr, lässt sich vermuten, da Sohn und Vater sich bis zum Schluss ein Grundstück teilten (freilich zusammen mit ihren Ehepartnerinnen Felizitas und Ingrid) – weit herumgekommen ist der Dichter Leitner, wie man weiß und wie er selbst auch gerne freudestrahlend proklamiert, ja hauptsächlich im Geiste. Ja, sein Verlag befindet sich sogar auf demselben Grundstück und die Hausarztpraxis seiner Ehefrau auch. Verwurzelter geht es kaum.

Erinnerungsfetzen, Momentaufnahmen, Reflexionen

Wie damit umgehen, wenn dann der Vater nicht mehr ist? Der Sohn Anton hat seinen Weg gefunden. Er hat Erinnerungsfetzen, Momentaufnahmen, Reflexionen zusammengetragen, gut ein Jahr lang vom Todestag des Vaters an (einige davon hat er auch hier im Blog als »Vers der Woche« veröffentlicht). Für sein Buch »Vater, unser See wartet auf dich«, das heute, zum zweiten Todestag des Vaters erscheint, hat er alle Texte nochmals durchgesehen und feingeschliffen, angeordnet und um Fotos ergänzt.

Herausgekommen ist ein intimes Buch, ein ehrlicher Einblick, eine große Hommage. Prosanahe Skizzen, die als kompakte Textstelen gesetzt sind, dominieren dabei, doch auch typische Leitner-Gedichte, solche mit zweifellos lyrischer Optik und eng getakteten Zeilenumbrüchen, sind zu finden. Es ist zu verfolgen, wie der Dichter den Verlust des Vaters verarbeitet, denn die Gedichte, die lyrischen Texte sind nach ihrem Entstehungsdatum angeordnet. Inhaltlich sind dabei zwei große Schwerpunkte auszumachen: Kindheits- und Jugenderinnerungen und das Lebensende des Vaters sowie die Momente danach.

Es geht ums zutiefst Menschliche – und so verweisen die Texte über sich hinaus

Anekdoten und Schlüsselmomente, zutiefst menschliche Macken und Kanten sind hier ganz konkret gezeigt, so dass es wirklich um diese spezifischen Leben geht, um die Menschen Anton und Anton, je unverwechselbar und geprägt von grandioser Dickschädeligkeit, von herrlichem Geltungsdrang – sowie Verletzlichkeit, Mitgefühl und einem unerschütterlichen humanistischen Grundgerüst.

Da werden sich schon mal die Fäuste blutig und wird die Tür eingeschlagen, und wie ein Rachegott stürmt der Vater herein, als Kleinanton ihn beim Zeitungsreinholen im Morgenmantel in die Kälte ausgesperrt hat, doch dann sitzt man auch wieder friedlich beieinander, genießt einvernehmlich das Rauchwerk, Vater und Sohn (die Mutter darf nichts wissen!). Da wird erst die Rock-Musik des Buben verurteilt – und dann, versöhnlich und angetan, doch anerkannt. Um Familienurlaube geht es, um den Ort Weßling, der ohne den hier flanierenden oder die Gemeinde via Fahrrad beehrenden und quasi jeden huldvoll und freundlich grüßenden Vater gar nie vorstellbar war. Und um den Abschied, den langsamen erst: Anton sen. wird alt, er kann und tut nicht mehr alles wie früher, auch wenn er viel beibehält (etwa unterrichtet er bis zum Schluss, er gibt Nachhilfe). Der Sohn bemerkt das, macht sich seine Gedanken. Und auch die Kräfteverhältnisse zwischen den beiden verschieben sich, klar: Nun muss der Vater nicht mehr vom Sockel gestoßen, nun muss er unterstützt werden. Und schließlich geht’s um den schnellen, ja, den plötzlichen Abschied: Ein Treppensturz passiert, wohl ausgelöst durch einen Schlaganfall. Rapide geht es bergab, wenige Tage danach stirbt der Vater. Dabei kommt es zu dramatischen Szenen, etwa wenn der Sohn im Krankenhaus größte Mühe hat, zum Sterbenden vorgelassen zu werden – wegen Corona.

Der Blick des Dichters auf den Vater: immer liebevoll, nie unkritisch

Sehr berührend sind die Texte, von existentieller Verzweiflung, aber auch saukomisch, dem Anekdotenhaften verpflichtet, doch nicht beliebig und ihre Figuren sowie die Leserinnen und Leser stets ernst nehmend. Sie sind eine Verbeugung vor dem Vater – und dabei gerade deswegen gelungen, weil sie ihn nicht verklären, sondern ihn in seiner Großartigkeit und Fehlbarkeit, weil sie ihn mitsamt seinen Widersprüchen zeigen. Der Blick des Dichters ist dabei stets liebevoll, aber eben niemals unkritisch. Dabei verweisen die Erinnerungstexte über sich hinaus, zeigen mehr als nur die Beziehung zweier Menschen, sie sagen etwas aus auch über die Zeiten, in denen sich all dies abspielte (die langen Autofahrten nach Italien im vollgepfropften Kleinwagen etwa kann man ja durchaus als kollektive bundesrepublikanische Erinnerung werten, ebenso den musikalischen Konflikt zwischen Vater und Sohn). Und sie sagen etwas aus über Kind-Eltern-Beziehungen allgemein. Um nur zwei Ansatzpunkte zu nennen.

Anton G. Leitner legt mit »Vater, unser See wartet auf dich« ein Buch vor, das anekdotenreich, tiefgründig, erschütternd und saukomisch ist; es liest sich, im besten Sinne, einfach weg. Und nach der Lektüre ist man bereichert sowie – und das ist wichtig – angenehm beseelt. Empfindsam wird hier Abschied genommen und dabei das Leben, der Mensch Anton Josef Leitner gefeiert.

Die ersten Male aus seinem neuen Buch liest Anton G. Leitner am 9. Mai in Berlin (Buchpremiere) und am 14. Mai in Schleswig (auf der Duo-Lesung mit Manfred Schlüter).


Eckdaten zum Buch

Anton G. Leitner
Vater, unser See wartet auf dich
Erinnerungsstücke und nachgerufenen Verse

Mit einem Vorwort von Ulrich Johannes Beil
Mit 17 Fotos aus dem Privatarchiv von Anton G. Leitner
Hardcover mit Lesebändchen
112 Seiten, 12,5 x 21,0 cm
€ 20,00 [D]
ISBN 978-3-929433-39-5


Weiteres Infomaterial


Nordpremiere von DAS GEDICHT 30 am 12. Mai in Schleswig: Festlesung im Haus der Kulturstiftung mit 10 Poetinnen und Poeten


Die Nordpremiere von DAS GEDICHT 30 gibt’s am Freitag, 12. Mai 2023, ab 19 Uhr in Schleswig: Im Haus der Kulturstiftung (Suadicanistraße 1, 24837 Schleswig) stellt Dichter und Herausgeber Anton G. Leitner gemeinsam mit neun Poetinnen und Poeten aus dem Norden die aktuelle Ausgabe der buchstarken Jahresschrift vor (Übersicht aller Auftretenden, mit Viten und Portraitfotos, auf den Webseiten der Kulturstiftung). Ihr Titel: »Offen I 30 Jahre DAS GEDICHT«. Moderiert wird die Festlesung von Michael Augustin. Ausgerichtet wird sie in Kooperation von der Zeitschrift DAS GEDICHT und der Kulturstiftung des Kreises Schleswig-Flensburg.

dasgedicht.de | kultur-schleswig-flensburg.de


Die Veranstaltung im Detail (wie auf der Webseite der Kulturtiftung des Kreises Schleswig-Flensburg angekündigt):

30 Jahre DAS GEDICHT

Nordpremiere der Jubiläumsausgabe des Poesiemagazins in der Kulturstiftung Schleswig

Freitag, 12. Mai 2023, 19 Uhr
Haus der Kulturstiftung
Suadicanistr. 1, 24837 Schleswig
Eintritt: € 9,- (ermäßigt € 6,-)

Reservierung unter 04621/960119 oder
kulturstiftung@kultur-schleswig-flensburg.de

Die buchstarke Jahresschrift DAS GEDICHT hat sich zu einer der »wirkmächtigsten Lyrik-Publikationen im deutschen Sprachraum entwickelt. Es ist ihr gelungen, immer wieder neue Impulse in der Lyriklandschaft zu setzen. Vielfalt und Offenheit zeichnen sie ganz besonders aus.« (Jurybegründung Verlagsprämie Bayern 2022). Lyrikerinnen und Lyriker aus dem Norden Deutschlands nehmen traditionell einen breiten Raum in DAS GEDICHT ein, so auch in der Jubiläumsausgabe #30.

Die Poetinnen und Poeten der Jubiläumslesung (Details zu ihnen finden sich hier):

Anton G. Leitner (Lyriker und Editor DAS GEDICHT, München) sowie Michael Augustin (Bremen), Sujata Bhatt (Bremen), Marcus Hammerschmitt (Eutin), Jan-Eike Hornauer (München / Lübeck), Thilo Mandelkow (Taarstedt), Annette Oellerking (Schleswig), Philip Saß (Dänischenhagen), Manfred Schlüter (Hillgroven, Dithmarschen), Bärbel Wolfmeier (Stelle-Wittenwurth).

Moderation: Michael Augustin

Veranstalter: Kulturstiftung Schleswig-Flensburg
in Zusammenarbeit mit Anton G. Leitner Verlag | DAS GEDICHT
(ausgezeichnet mit dem Deutschen Verlagspreis 2022)